Reform des deutschen Schwimmunterrichts gefordert.

Uwe Legahn, Hamburg

Dieser Blog soll vor allem über die großen Chancen einer gravierenden Optimierung der Schwimmkompetenzen im Kindergartenalter aufklären. Gleichzeitig gilt es, die auffälligsten Verhinderungspraktiken der Verbandsfunktionäre offenzulegen und anzuprangern. Ein weiteres Ziel ist die Verhinderung so genannter “Unterrichtsopfer” durch den Einsatz von Rettungsstangen beim erzwungenen Springen, das massive „Nachhelfen“ beim unfreiwilligen Tauchen und andere angsterzeugende „Hilfestellungen“ wie auch perfidem Psychoterror gegenüber den schwächsten Anfängern.

Ertrinkungsfälle mit tödlichem Ausgang oder schwerer Behinderung werden zwar niemals ganz zu verhindern sein, man könnte die Anzahl jedoch deutlich reduzieren. Experten weltweit sind sich ferner einig, dass jedem derartigen Drama mindestens 100 Beinaheertrinkungsfälle hinzuzuzählen sind, die von keiner Statistik erfasst werden. Gemeint sind die Situationen, in denen die Betroffenen nach eigenem Empfinden “fast ertrunken” sind, einen Schock erlitten, danach “nie wieder” ins Wasser wollten und sich oft genug lebenslang an diesen Vorsatz halten. Hier wären gravierende Fortschritte möglich, wenn man Inhalte und Ziele des konservativen Schwimmunterrichts auf den Prüfstand stellen würde.
Bereits Ende der Sechziger erkannte ich bei mehreren professionellen Rettungsschwimmereinsätzen auf Sylt, dass (Beinahe-) Ertrinkungsfälle meist nach gleichen Mustern ablaufen und dabei allzu oft angeblich ausgebildete Schwimmer betroffen sind.
Daher entwickelte ich eine inzwischen lange bewährte Alternative, mit deren Hilfe Kinder das Schwimmen sehr viel sicherer, vielseitiger und früher als bisher erlernen können. Zunächst vernachlässigte ich bewusst korrekte Bewegungsformen des Schwimmsports und bevorzugte entwicklungsgerechte Angebote, die ständig in spielerischer Form intensiv mit den alltäglichen wassertypischen Notsituationen verbunden wurden, um derartige Momente im Ernstfall meistern zu können. Bücher und Filme zu meinem als „Aquapädagogik“ bezeichneten Unterrichtskonzept sowie der dazugehörige Sicherheitstest belegen den erzielbaren Fortschritt:
Flächendeckend praktiziert, wäre eine deutliche Reduzierung der Ertrinkungsfälle mit all ihrem Leid für die Betroffenen und ihre Familien erreichbar.
Ohne zeitlichen oder finanziellen Mehraufwand, allein durch Änderungen von Inhalten, Zielen und Organisationsformen ist es möglich, nahezu allen Kindern im Schwimmunterricht deutlich mehr Sicherheit und Vielseitigkeit zu vermitteln. Gelingt es ferner, die Lernumgebung (Wasser-u. Luft-Temperaturen sowie Ausstattung) kindgerecht zu gestalten, können bereits Drei- bis Fünfjährige davon profitieren.
Wassertypische Missgeschicke (z. B. ein plötzlicher Sturz ins Wasser oder „Verschlucken“ ), an denen herkömmlich ausgebildete Schwimmer aller Altersgruppen häufig scheitern und sie zu Unfallopfern machen, werden von Kindern, die auf diese Art ihre Sicherheit im Wasser erwerben konnten, nicht einmal als bedrohlich registriert. Mit dem mehrjährigen Vorsprung gegenüber ihren Altersgenossen profitieren die Kinder parallel hierzu von einer frühen Stärkung ihres Selbstbewusstseins und entwickeln im Gruppenunterricht diverse nachhaltige Sozialkompetenzen, bestätigt durch unzählige Rückmeldungen aus Kindergärten und Grundschulen.
Im Interesse der kommenden Schwimmgenerationen ist es an der Zeit, auf die großen Chancen zur Steigerung der Kindersicherheit hinzuweisen – ermutigt und nicht selten massiv aufgefordert von zahllosen Pädagogen, Eltern und unterschiedlichsten Basispraktikern. Wer in den großen Schwimmorganisationen die Bedürfnisse unserer Jüngsten weiterhin missachtet, sie sogar eigensinnig bekämpft aber in der Öffentlichkeit einen vermeintlichen Alleinvertretungsanspruch reklamiert, um in dessen Schatten eine Überprüfung der eigenen Unterrichtskonzepte zu vermeiden und an alten Zöpfen festzuhalten, wird sich zukünftig mit unangenehmen Fragen befassen müssen.

Wissbegierige Praktiker aller Schwimmorganisationen besuchen schon lange die Seminare der Aquapädagogik. Doch in den Führungsgremien wird nach wie vor ignoriert, gemauert und blockiert – zum Nachteil der Kindersicherheit – obwohl die Vorteile der Aquapädagogik dort lange bekannt sind.

Nach jahrelangem leisen, zurückhaltendem „Anklopfen“ und bescheidenem „Hinweisen“ ist es im Hinblick auf die Kindersicherheit an der Zeit, vorsichtige Artigkeiten, diplomatisch verklausuliertes Bitten und „politicel Correctness“ um jeden Preis von nun an über Bord zu werfen. Klartext ist angesagt! Aus der Überzeugung heraus, dass vor allem offener Gedankenaustausch Fortschritte ermöglicht, wird auf Seiten der Aquapädagogik keiner Diskussion aus dem Weg gegangen – denn Gegenwind wirkt belebend und motivierend!