Rezension nach Art des DSV

Vorgeschichte:

Mit der Begründung, er würde gern eine Rezension über den Lehrfilm schreiben, bestellte Axel Dietrich, Hauptamtlicher Jugendbildungsreferent des DSV am 28.6.2012 per Mail eine kostenlose Kopie meines neuen Aquapädagogikfilms, die ihm am 29.6.12 zugesandt wurde.

Am 1. 8. 12 geht die Antwort ein: Axel Dietrich teilt mit, dass er beide DVDs „mit großem Interesse anschaute“, dem Wunsch nach Rezension entsprochen habe und den entstandenen Text beilegt. Er meint, dass ich „eine gute Arbeit präsentieren“ würde und erklärt, dass er nicht mit allen Dingen einverstanden ist.     

Danach folgt die annähernd zweiseitige Rezension.

Mit folgendem Text bedankte ich mich bei Axel Dietrich per Mail am 21.8. 2012:

  • „Herzlichen Dank für Ihre ausführliche Rezension meines Lehrfilmprojekts, die mich verspätet auf Umwegen im Urlaub erreichte. Vorweg: Sie fällt für mich erstaunlich positiv aus! Erstaunlich vor allem in Erinnerung gänzlich anderer Erfahrungen mit der DSV-Jugendführung während der letzten Kontakte zwischen Nov. 2006 und März 2008. Führe ich mir zusätzlich Ihre berufliche Situation vor Augen, anerkenne ich in Ihrer Rezension, lieber Herr Dietrich, ein vergleichsweise mutiges Bemühen um Neutralität und Sachlichkeit. Ich wünsche Ihnen, damit nicht ernstlich im Präsidium „anzuecken“ und warte daher durchaus etwas gespannt auf die tatsächliche Veröffentlichung der Rezension.“

Weil in der DSV-Verbandszeitschrift „swim&more“ Buch- und Filmrezensionen häufiger zu finden sind, fragte ich am 24. Januar 2013 bei Axel Dietrich nach dem vorgesehenen Termin der Veröffentlichung seiner Rezension. Die überraschende Antwort: „ Eine Veröffentlichung in der swim&more sei nicht vorgesehen, er „hoffe jedoch, den Text demnächst“ in der Zeitschrift der deutschen Schwimmjugend veröffentlichen zu können.  

Die knappe Antwort auf meine erneute Nachfrage am 26.4.13: „Nichts Konkretes, wir arbeiten dran!“

 Daher nun die „Rezension aus Sicht der dsv-jugend“  – fett + Rot gedruckt zusammen mit meinen direkt angehängten Kommentaren zu den einzelnen Punkten:

Aquapädagogik – früh, sicher und vielseitig (Eine Rezension aus Sicht der dsv-jugend)

 Gut zehn Jahre nach dem Videofilm „lm Wasser zu Hause“ legt der Hamburger Sportpädagoge Uwe Legahn nun eine Doppel-DVD vor, mit der er seine Ideen der Aquapädagogik einerseits Eltern, Lehrern und Übungsleitern präsentiert, anderseits Kinder zum Mitmachen motivieren möchte.

 Uwe Legahns Idee der Aquapädagogik zielt darauf ab, bereits drei- bis fünf jährige Mädchen und Jungen einen sicheren Aufenthalt im Bewegungsraum Wasser zu ermöglichen. Dabei geht es ihm insbesondere darum, einen plötzlichen Sturz in ein natürliches oder künstlich geschaffenes Gewässer zu simulieren und die Kinder darin zu schulen, die sprichwörtlich eintretende Schrecksekunde zu überwinden (Legahn spricht von der Umkehr des Schreckreflexes) sowie das passive Schwimmen – gemeint ist hiermit wohl das Schweben an der Wasseroberfläche- zu üben. Sein Ziel ist nicht die optimale Wasserlage und Vortriebsmöglichkeit zu finden, sondern eine Sicherheit zur erzielen, die Kinder im Kindergartenalter davor bewahrt, zu Ertrinken.

Zunächst ist es mir unverständlich, wie man einen Film „mit großem Interesse anschaut“ und gleichzeitig die inhaltlichen Kernpunkte des Konzepts nur vage mitbekommt. Das passive Schwimmen wird jedenfalls für alle konzentrierten Zuschauer ausführlich erklärt und demonstriert. Ferner suggeriert Ihr Text fälschlich, ich habe wenig Interesse an optimaler Wasserlage und Vortrieb. Richtig ist jedoch, dass ich der Meinung bin, man solle drei- bis fünfjährige Anfänger (noch) nicht mit den speziellen Anforderungen des Sportschwimmens konfrontieren, weil ich zunächst weit wichtigere Ziele in den Vordergrund stelle. Übrigens lobten die unabhängigen Sportpraktiker unter den bisherigen Filmbetrachtern bislang übereinstimmend die im Film – im Gegensatz zum konservativen Schwimmunterricht – praktizierte Beachtung der Wassersicherheit sowie wichtiger sportpädagogischer Grundsätze, wie beispielsweise „vom Leichten zum Schweren“ zu gehen und entwicklungsgerechte, kindgemäße Zwischenziele anzustreben. Sie verstanden sofort, dass es im Film vorwiegend um erste Aufgaben in Grundkursen für Drei- bis Fünfjährige geht und warum hier das Sicherheitstraining inhaltlich absolute Priorität genießt.

Trotz der großen Bedeutung der Atmung im Wasser, die in den Kursstunden immer wieder geübt wird, konzentriert sich Legahn bei der Vermittlung von Vortriebstechniken zunächst auf das Rückenschwimmen. Er begründet seine eher ablehnende Haltung gegenüber dem Brustschwimmen mit der Komplexität der Schwimmtechnik und der Körperphysionomie der Kinder, lässt aber dennoch vielfältig üben und fördert das Interesse der Mädchen und Jungen an der Technik des Kraulschwimmens. Dabei vermeidet er in der Bauchlage offensichtlich die Ausatmung ins Wasser bzw. das Ablegen des Kopfes auf die Wasseroberfläche.

Da wurde offenbar der wichtigste Teil der Profi-DVD übersehen, der sich ausschließlich mit dem Ausatmen im Wasser befasst. Alle anderen verstehen sofort, was es mit der Schreckreflexumkehr (meinem Airbag des Schwimmens) auf sich hat. Scheinbar halten sich auch hier Ihr großes Interesse und Ihre Konzentrationsfähigkeit nicht die Waage.

 Prominente und wenige prominente Zeitzeugen auch aus der Schwimmerszene unterstreichen im Film die Bedeutung Legahns und seiner Idee der Aquapädagogik.

Es sind Dr. Werner Freitag und Ralf Beckmann aus dem DSV-Bereich sowie Professor Meenen, Jugendsportmediziner vom UKE Hamburg, Professor Rossbach, Elementarpädagoge der Uni Bamberg und Gabriele Wolfert-Fuchsreiter, die für die Stadtverwaltung München die Einführung der Aquapädagogik im Vor- und Grundschulbereich anschob.

Leider kommen beide Filme auch nicht ohne zahlreiche Einblendungen von sogenanntem „indirekt placement“ aus. Neben einer großen Versicherung und dem Hersteller der in den Kursstunden verwendeten Schwimmflügel sieht der Zuschauer permanent Plakate von einem bekannten Produzenten von Elektronikprodukten und einem weiteren Hersteller von Hilfsmitteln im Wassersport, die in der Schwimmhalle die Wand zieren. Dies fällt bei der für die unterrichtsbegleitende DVD, auf der eine vermeintliche Kinderstimme erklärt, was in den einzelnen Übungsstunden passiert, stärker auf, als auf der DVD für die Eltern und Pädagogen.

Ja, Herr Dietrich, ich kam nicht ohne „indirekt placement“ aus! Hier bin ich bewusst nur privater „Einzelkämpfer“, der dieses Projekt nur mit Unterstützung von Sponsoren und einer großen Schar ehrenamtlicher Helfer aus dem Kreis unserer Schwimmschule und der Aquapädagogik schultern konnte. Aber macht das den Film schlechter, ist es gar anrüchig? Und ist das vielschichtige Sponsoring nicht auch seit Jahren ein Hauptthema des so genannten „gemeinwohlorientierten Sports“, z. B. auch beim DSV-SwimStars-Programm? Ich meine, dass hier doch eine gewisse Portion Scheinheiligkeit im Spiel ist. Dabei kommt mir die Jugendwartin (Berufspädagogin) eines großen DSV-Landesverbandes in Erinnerung, die mich 2007 um Hilfe bei der Auseinandersetzung „mit denen da oben in Kassel“ bat, „die doch nur olympische Ringe und Dollarzeichen in den Augen haben!“

Ebenfalls im Gedächtnis bleibt der der Einsatz von Schwimmflügeln fast bis zur letzten Übungsstunde. Diese Auftriebsmittel, die eine flache Wasserlage fast unmöglich machen, sind notwendig, da der Kurs in einer Wassertiefe stattfindet, die den Kindern keinen sicheren Stand ermöglichen.

Abgesehen davon, dass Schwimmflügel bei meinem ausschließlichen Gruppenunterricht im schwimmtiefen Wasser bereits seit 1968 das in jeder Hinsicht sichere Hilfsmittel darstellen – was im Film ebenfalls ausführlich begründet wird – verhindern sie übrigens keineswegs eine flache Wasserlage. Nicht ohne Grund weise ich daher auch im Film wörtlich darauf hin, dass Schwimmflügel vielerorts „geradezu verteufelt werden – besonders von denen, die damit die wenigsten Erfahrungen haben“. Das trifft hier offensichtlich beispielhaft zu.

Der Autor der DVD, der im Film gleichzeitig als Kursleiter agiert, weist gegenüber den Erwachsenen darauf hin, dass die Kursstärke abhängig ist, von den Erfahrungen der Schwimmlehrers und der Wassertiefe, setzt aber dennoch bis zu 11 Kindern in dem vom Filmteam begleiteten Kurs ein. Mit der Begründung des Aufbaus von Vertrauen befindet Legahn sich insbesondere in den ersten Kursstunden gemeinsam mit den Kindern im Becken und hat dabei mehrfach Kinder in seinem Rücken und nicht im sicheren Blick. Hierbei auf die zusätzlich anwesenden Eltern zu vertrauen, ist aus präventiver Sicht zumindest fahrlässig. Selbst in den Phasen, in denen der Autor sich außerhalb des Wassers befindet, sieht ihn der Zuschauer des Öfteren mit dem Rücken zum Becken und damit ohne Blick auf die im Wasser befindlichen Kinder.

Höchst erstaunlich ist Ihre Feststellung, dass ich meinen Unterricht „zumindest fahrlässig“ leite, weil in unseren Gruppen bis zu 12 Kinder unterrichtet werden, der Lehrer in den ersten Stunden bei den Kindern im Wasser ist und sich dabei auch Kinder hinter seinem Rücken befinden.

Hier zunächst der wörtliche Filmtext zum Thema Gruppenstärke:

  • „In der Praxis ist vorweg die Frage der Gruppenstärke zu klären, die von der Übungsstätte wie vom Lehrpersonal bestimmt wird: Habe ich jugendliche Hilfsübungsleiter in einer unübersichtlichen Ecke eines Großbades oder einen erfahrenen, umsichtigen Experten in einem separaten, überschaubaren Kleinbad mit allen Eltern direkt hinter der Scheibe im Einsatz?“

Was hier – zuvor im Film begründet und ständig zu sehen – in nur vier Zeilen kurz angesprochen wird, gestaltet sich in meinen Seminaren durchweg als eine mindestens 30-minütige intensive Auseinandersetzung im Spannungsfeld zwischen Vertrauensaufbau und Sicherheitsbedürfnis.

Im täglichen Unterricht sind besonders zwei Komponenten für die hohe Sicherheit ausschlaggebend: Erstens die langjährige Erfahrung des Kursleiters in Verbindung mit dessen typischer Sportlehrerfähigkeit „nach vorn zu schauen und nach hinten zu hören“ und zweitens der Einsatz der  Schwimmflügel. Zusätzlich wird die Sicherheit unserer Schwimmschüler durch die optimal überschaubare, geringe Beckengröße erhöht und durch das Fehlen sämtlicher Gefahren und Störungen – wie sie in einem größeren Standardbad alltäglich sind – ergänzt. Da wir ferner „gläsernen Unterricht“ praktizieren, kommt die ständige „Aufsicht“ durch die in unmittelbarer Nähe befindlichen Eltern hinzu. Für sich betrachtet, ist die Elternanwesenheit in Bezug auf die Sicherheit ihrer eigenen Kinder grundsätzlich mindestens so effektiv, wie das eigenverantwortliche Team-Teaching jugendlicher Übungsleiter im Schwimmverein. (Was ich hier jedoch keineswegs pauschal in ein schiefes Licht rücken möchte!) So können wir im Unterricht mit ruhigem Gewissen die größtmögliche Sicherheit gewährleisten – übrigens seit nunmehr 36 Jahren in unserer Schwimmschule und zuvor bereits neun Jahre in einer öffentlichen Schule.

Nebenher ist es für mich sehr interessant, dass seit meiner ersten Veröffentlichung im Jahr 2000 nur Sie, Herr Dietrich sowie der DSV-Jugendwart Bedenken an dieser Praxis äußerten, also zwei Sportfunktionäre, die meines Wissens beruflich wenig in der Sportpraxis tätig sind. Daher glaube ich nicht, dass all die Lehrer, DSV-Übungsleiter, DSTV-Trainer, Hochschuldozenten und andere verantwortliche Praktiker unter den Befürwortern der Aquapädagogik im In- und Ausland kritiklose Jasager und leichtsinnige Draufgänger sind! Dagegen scheint es auf Ihrer Seite schlichtweg an ein wenig praktischer Erfahrung mit andersartigen Situationen bzw. der Bereitschaft zu fehlen, sich mit unbekannten Gegebenheiten ernsthaft auseinander setzen zu wollen. Oder ist es nur die krampfhafte Suche nach dem Haar in der Suppe, wo man zwecks Erfolgsgarantie zuvor schon mal den Kamm auf den Löffel legt?

Positiv zu vermerken ist der für zahlreiche Schwimmkurse hohe Umfang von 21 Lerneinheiten bis zum Abschluss des Kurses. Weshalb den drei Lerneinheiten in der Woche dann jedoch an drei Tagen hintereinander fünf Tage Pause folgen, wird nur in einem Nebensatz angedeutet. Das drei Einheiten pro Woche den Lernerfolg besser stabilisieren als nur zwei oder gar eine, ist unbestritten. Weshalb die drei Einheiten allerdings nicht an drei auseinander liegenden Tagen (z.B. Montag, Mittwoch, Freitag) durchgeführt werden können, bleibt unerklärt.

Lieber Herr Dietrich, auch zu diesem Thema wird im Film nichts „nur angedeutet, bzw. bleibt ungeklärt“! Vielmehr wird wörtlich erklärt, dass diese Organisationsform seit über 20 Jahren die für Kinder, Eltern und Lehrer beste Kompromisslösung darstellt und dass wir über genug Erfahrungen mit bis 14-maligem Unterricht pro Woche verfügen. Die Erfolge werden im Film zusätzlich durch recht eindeutige Grafiken unterstrichen. Ich vermute hier in der Handlungskette „großes Interesse, Konzentration und Gedächtnis den einen oder anderen Knoten!

Zur Dokumentation der erreichten Fähigkeiten gibt es bei der Aquapädagogik eigene Delphinabzeichen. Sie unterscheiden sich von den etablierten Schwimmabzeichen des Bundesverbandes zur Förderung des Schwimmsports und werden, weil doch weitgehend unbekannt, keine Anerkennung im staatlichen Schulsystem finden. Damit verlängern sie leider nur die lange Reihe der zusätzlich am Markt befindlichen Motivationsabzeichen.

Beim Thema Schwimmabzeichen liegen wir sicherlich nicht weit auseinander – ich meine, dass man das auch aus meinem Kommentar im Film entnehmen könnte. Aber wo ist der grundlegende Unterschied zwischen den neuen „Swimstars“- Motivationsabzeichen des DSV und den unseren?

Eine letzte Anmerkung. Mehrfach wird auf der Kinder-DVD auf die Begeisterung der Kinder hingewiesen, zur Belohnung ins Wasser zu fliegen. Alle diese Sprünge bzw. „Würfe“ erfolgen mit den Schwimmflügeln am Oberarm. Jedes Mal bremsen die Flügel beim Eintauchen und belasten damit die Bänder und Sehnen die das Schultergelenk stabilisieren. Selbst wenn die Mädchen und Jungen über keine akuten Probleme klagen, wäre es spannend zu klären, welche Folgen die häufigen Landungen zeitigen.

Bemerkenswert auch Ihre orthopädisch begründeten Befürchtungen hinsichtlich der „häufigen Belohnungsflüge“, die tatsächlich nahezu jede Übungsstunde beenden – also in sieben Wochen höchstens 21 mehr oder weniger große Flüge mit mehr oder weniger Bremswirkung durch mehr oder weniger gefüllte Schwimmflügel!  Nein, auch hier spielen Sie die unangebrachte Rolle des Bedenkenträgers, denn nach nunmehr über 40-jähriger Praxis ist dabei noch niemand – weder akut noch später – zu Schaden gekommen. Vielmehr machen diese „Flüge“ einen wichtigen Teil unserer Unfallprävention aus. Ergänzend hierzu folgender Hinweis:

Kinderärzte unserer Region spielen seit vielen Jahren tatsächlich eine besondere Rolle: Sie versetzen die Eltern unserer Schwimmschüler häufig in großes Erstaunen, wenn sie überraschend das Schwimmen in unserer Schwimmschule vermuten – weil bei den Kindern oftmals frühzeitig eine gut ausgebildete Schultermuskulatur erkennbar ist. Sicherlich nicht auf Grund der Belohnungsflüge, sondern vielmehr in Folge unserer gänzlich anderen Unterrichtsorganisation, speziell des rund tausendfachen Hinauskletterns am Rand schon im Verlauf der Grundkurse – übrigens auch mit der Begründung der Unfallprävention.

Im Zusammenhang mit ihren vorherigen pseudomedizinischen Befürchtungen wäre es für mich, der ich tatsächlich den Beinbewegungen des Brustschwimmens aus mehreren Gründen (die im Film ebenfalls erläutert werden) zunächst ablehnend gegenüber stehe und sie daher erst am Ende der Schwimmausbildung anbiete, sehr interessant, mehr über mögliche Knieprobleme als Spätfolgen des zu früh erzwungenen, intensiven Brustschwimmens nach modernem Bewegungsmuster zu erfahren. Sicher sind auch im DSV genug Einzelfälle bekannt, die einerseits Anlass zu einer umfassenden Studie sein sollten und andererseits einen zumindest vorsichtigen, zurückhaltenden Einsatz im frühen Kindesalter nach sich ziehen müssten.

 Die insgesamt löbliche Absicht Uwe Legahns den Schutz der Kinder vor dem Ertrinkungstod zu erhöhen ist aus meiner Sicht noch nicht ganz ausgereift und verdient es an der einen oder anderen Stelle nachgebessert zu werden. Den Aufenthalt im Bewegungsraum Wasser sicher und lustbetont zu gestalten, verdient allerdings Unterstützung.

 Axel Dietrich, Jugendbildungsreferent

Zu Ihrem letzten Absatz:

Durch mein langjähriges Lehrerdasein an öffentlichen Schulen sind mir die hintergründigen Bedeutungen von Zeugnisformulierungen bestens bekannt. Sie waren mir in zahllosen Zeugniskonferenzen immer ein Graus –- offene, direkte Aussagen sind mir weitaus lieber, ganz besonders im Sport.

Ferner bin ich überzeugt, dass nicht nur Pädagogen ihre Arbeit nie als „ganz ausgereift“ – und sich damit als lernunwillig entlarvend – bezeichnen sollten, sondern sich vielmehr ständig „an der einen oder anderen Stelle um Nachbesserungen zu bemühen haben“. Das erwarte ich ganz besonders im Lernbereich der Kernsportart Schwimmen, welche zweifellos die größten Auswirkungen auf die Kindersicherheit sowie die spätere Lebensqualität erzeugen kann.

Dennoch können sowohl neuere wie lange etablierte pädagogischen Entwicklungen grundsätzlich praktikabel und auch schon bewährt sein – mit oder ohne verdienstvolle, traditionsreiche Organisationen im Hintergrund, in denen man nach meiner Erfahrung zu häufig mit der Verteidigung einer vermeintlichen Alleinherrschaft und Generalkompetenz beschäftigt ist und darüber die Bereitschaft vermissen lässt, Neuerungen unvoreingenommen entgegen zu sehen. Da hat sich in der DSV-Verbandaführung seit DSTV-Gründung offenbar kaum etwas geändert.

Doch gerade deshalb möchte ich abschließend noch einmal  meine Stellungnahme zum Editorial des DSV-Fachblattes swim&more im August 08 einfügen, wo der damalige DSV-Vizepräsident und Vorsitzende des Ausbildungsausschusses Eckehard W. Gebauer, schrieb:

  • „(Der Verbandstag in) Rostock bietet die Chance, die Bedeutung aller Facetten unseres Sports zu beleuchten, ihre Inhalte und Ziele zu definieren und zukunftsträchtig zu organisieren.“

Meine damalige Stellungnahme scheint heute (leider) immer noch aktuell zu sein:

„Sehr geehrter Herr Gebauer,

mit großem Interesse habe ich Ihr Editorial in der Augustausgabe 08 des DSV-Fachblattes swim&more gelesen.

Nach 50-jähriger Mitgliedschaft in einem ehemals sehr erfolgreichen DSV-Verein, nach einem kompletten Berufsleben am und im Schwimmsport und weiterhin vielfachen Kontakten zu DSV- Gliederungen kann ich Ihre Position nur begrüßen. Es drängt sich jedoch die Frage auf, warum man sich „ erst zukünftig, und auch nur vielleicht“ neuen Wegen öffnen möchte? Handelt es sich hier nicht um Direktiven, die bereits seit Jahrzehnten selbstverständliche Zielsetzungen und längst bewährte Verhaltensweisen der Repräsentanten einer der olympischen Kernsportarten sein sollten? Als Optimist sage ich angesichts der ernüchternden Pekinger Ergebnisse in „meiner“ Sportart: „Besser spät als nie und … in Rostock wird man hoffentlich die richtigen Weichen stellen.“

Doch angesichts meiner jüngsten Erfahrungen mit der DSV-Führung entstehen Zweifel am Realisierungswillen des jetzigen Gremiums, was das folgende Beispiel erklären sollte:

Im November 2006 wendet sich die Landesjugendwartin eines der größten DSV-Landesverbände an das BvAP-Präsidium und bittet um Unterstützung im Bereich des Anfangsschwimmens. Als Pädagogin war sie davon überzeugt, dass die Inhalte der Aquapädagogik als sinnvolle, notwendige Ergänzungen in jede Schwimmausbildung einfließen sollten. Von BvAP-Seite auf die vier Jahre zuvor in gleicher Situation erfolgte Ablehnung seitens des DSV-Präsidiums hingewiesen, berief sie sich auf die offizielle Selbständigkeit der DSV-Jugend.

Bei einem Treffen im März 2007 verabredeten der Vorsitzenden der DSV- Jugend und ich die zügige Umsetzung meiner Kooperationsperspektiven. Erste Schritte sollten die gegenseitige Anerkennung von Fortbildungsveranstaltungen und der Referentenaustausch bei Tagungen und Seminaren sein.

Die Folge waren der Vortrag des ehemaligen DSV-Nationaltrainers Ralf Beckmann über die Wünsche des Spitzensports an das Anfangsschwimmen im Verlauf der BvAP-Jahrestagung im November 2007 in Villingen sowie zuvor im Oktober 2007 mein Vortrag bei der DSV- Fachtagung in Köln, in dem die Inhalte der Aquapädagogik aufgezeigt und mit herkömmlichem Schwimmunterricht verglichen wurden.

Überraschend verweigerte im März 08 der DSV-Jugend-Vorsitzende und DSV-Präsidiumsmitglied die Veröffentlichung der schriftlichen Version des zuvor unbeanstandeten Vortrages in der Dokumentation zur Kölner Fachtagung. Ohne auch nur einen konkreten Kritikpunkt zu benennen, galt der Inhalt plötzlich pauschal – rund vier Monate nach Erhalt des Manuskriptes – als wissenschaftlich unbewiesen, unsachlich, diffamierend und einer Veröffentlichung mangels Niveau unwürdig. Alle weiteren Kontakte wurden gleichfalls abgelehnt. (Dagegen druckte die Deutsche Schwimmtrainervereinigung meinen weitgehend identischen Vortrag zur DSTV- Jahrestagung 2007 in Braunschweig unzensiert im Band 28 seiner Schriftenreihe „Schwimmen lernen und optimieren“ ab.)

Als DSV-Mitglied erstaunt mich diese Demonstration der Realitäten in Bezug auf die viel zitierte „Selbständigkeit“ der DSV-Jugend. Als Pädagoge bleibt es mir unerklärlich, warum ein moderner Sportverband seine zumeist ehrenamtlichen Betreuer der jüngsten Aktiven und wichtigste DSV-Zukunftsträger noch im Jahr 2008 mit Hilfe indirekter Zensur und symbolischen Augenbinden entmündigt; warum man ihnen eigenes Urteilsvermögen abspricht und sie offenbar vor Neuerungen „schützen“ muss.

Wenn der Sport nebenher zur Toleranz erziehen soll, wäre hier für die Verantwortlichen eine gute Gelegenheit,  sich ihrer Vorbildfunktion zu erinnern und sogar über Kontakte mit anderen nachzudenken, die tatsächlich gar nicht so anders sind, die nur andere Schwerpunkte setzen, aber letztlich gleiche Ziele verfolgen und somit doch am berühmten gleichen Strang ziehen“.

Heute möchte ich angesichts der blamablen Ergebnisse in London noch einmal anregen, im Hinblick auf zukünftige Schwimmgenerationen ein paar Gedanken darauf zu lenken, ob nicht vorurteilsfreier Gedankenaustausch und direkte kritische Auseinandersetzung mit allen Beteiligten zu positiveren Ergebnissen führen könnte. Dabei habe ich vor allem die viel beschriebene katastrophale Situation am anderen Ende unseres Sports, die Realität der landesweiten Schwimmausbildung im Fokus. So bleibt es unverständlich, dass im DSV – abgesehen von einer vielseitigeren, sichereren und entwicklungsgerechteren Ausbildung mit der Aussicht auf sinkende Unfallzahlen – nicht allein die reale Chance auf deutlich früher erkennbare Talente wachrüttelt.

Vor allem im Hinblick auf die Kindersicherheit erkennen hier nicht wenige einen völlig unnötigen, hausgemachten Skandal als Krönung der seit Jahren von führenden Sportrepräsentanten medienwirksam beklagen, aber immer außerhalb ihrer Reichweite zu verantwortenden Skandalsituation des Deutschen Anfangsschwimmens. Letztlich sollte sich ein Vergleich mit der alten und neuen Schwimmhochburg USA lohnen, wo sich Spitzen- und Basissport  – nicht erst seit London 2012 – völlig unverkrampft über Verbandsgrenzen hinweg ergänzen.

Mit freundlichen Grüßen

Uwe Legahn